Eine etwas andere Art der Energiekrise trifft die Schinznacher Baumschulbahn, die aber doch mit der politischen Situation in Europa zu tun hat. Es geht um die Kohle – und um die Engpässe bei Treibstoffen, die aus verschiedenen Gründen entstanden sind.

Das Anheizen einer Dampflokomotive ist ein anspruchsvolles Unterfangen, das viel Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Verständnis für die Funktion einer Dampflok verlangt. Der Kessel sollte möglichst schonend auf Betriebsdruck gebracht werden. Das heisst, nicht in einer Stunde von 0 auf 100, aber eben doch innert nützlicher Frist, damit die Lok fahrplangemäss starten kann. Dafür gibts beim Verein Schinznacher Baumschulbahn eine eigene Ausbildung samt Prüfung. Die Heizer und somit der Verein sind aber seit diesem Frühjahr mit einem echten Problem konfrontiert: Die Steinkohle geht aus.

Wie ist Steinkohle entstanden?

Steinkohle entstand ursprünglich aus Humusschichten von Pflanzen wie Farnen oder Schachtelhalmen. Wenn Pflanzen im Sumpf versinken und kein Sauerstoff dazukommt, zersetzen sie sich nicht, sondern werden zu Torf. Überflutung durch die Ozeane, die Ablagerung weiterer Schichten von Sedimentgestein und Pflanzen ergeben einen enormen Druck, unter dem ein biochemischer Prozess einsetzt, der den Torf über die Jahrmillionen zu Braunkohle und schliesslich zu Steinkohle verwandelt – sehr vereinfacht ausgedrückt. 

Erste Wahl: Steinkohle aus Wales

Die meisten europäischen Dampfeisenbahnen – darunter auch die
Schinznacher Baumschulbahn – bezogen bis anhin die Kohle aus einer Mine in Wales, zum Teil auch aus Polen und Südafrika. Die walisische Kohle ist aber weltweit eine der besten, wenn nicht gar die beste für diesen Zweck. Sie ist sehr hochwertig, hat gute Brenneigenschaften, einen hohen Energiegehalt und die Rauchentwicklung ist gering. 
Dass diese Mine ab Ende Jahr keine Stückkohle mehr fördern würde, wusste man schon länger. Jetzt hat aber ein Defekt an einer Sortiermaschine die Förderung der Steinkohle abrupt beendet. Eine Reparatur würde für die verbleibenden Monate schlicht keinen Sinn machen. 

Das schwarze Gold aus Wales

Diese Kohle sucht weltweit ihresgleichen in Sachen Brenneigenschaften und Energiegehalt.

Guter Ersatz ist schwierig zu finden

Kohle wird natürlich weltweit weiterhin gefördert, allerdings wird in der Industrie und in Kohlekraftwerken ausschliesslich Kohlestaub eingesetzt. Die Stückkohle findet nur noch bei den diversen «Museumsbahnen» Abnehmer und ist somit ein Nischenprodukt. 
Kohle aus Sibirien, die grundsätzlich lieferbar wäre, kommt im Moment aufgrund des Ukrainekrieges für die Baumschulbahn nicht infrage. Und die Steinkohle aus Polen ist im Moment ebenfalls wegen dem Krieg mit einem Exportverbot belegt, die Kohle wird im eigenen Land benötigt.

Kohlebriketts aus Wales im Test

Die Schinznacher Baumschulbahn und verschiedene andere Schweizer Dampfbahnen haben sich zusammengetan, um Ersatz zu suchen. Ebenfalls in Wales wurden sie fündig. Die dort produzierten Kohlebriketts werden im Moment auf verschiedenen Dampfloks getestet. Die Tests lassen hoffen, zumindest bei kleineren Loks, für grössere ist die Brennkraft bzw. die Heizleistung noch nicht genügend hoch. Es bleibt spannend. Zum Glück stehen noch ein paar Dieselloks im Depot – wobei... ein Schelm, wer Böses denkt.

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